Traumhaft Schwedisch

Fünf junge Schauspieler sorgen mit dem Stück Fünf mal Gott zur Zeit für Gesprächsstoff in der Friedrichshainer Theaterszene. Die Melange aus schwedischem Schulhof, Glaubensfragen und Zukunftsängsten bestaunte und rezensierte Yulian Ide.



Man sollte vermutlich der ein oder anderen Fremdsprache mächtig sein, wenn man Julia Beils Inszenierung von Fünf mal Gott folgen können möchte. Die Dialoge wirbeln auf Deutsch, Englisch und Schwäbisch über die Bühne und treffen damit den Gusto des kosmopoliten (und doch heimattreuen) Jungberliners. Die ansonsten skandinavophile Ausrichtung tut ihr Übriges. Fünf mal Gott ist die erste deutsche Bearbeitung des schwedischen Stückes „Fem Gånger Gud“ von Jonas Hassen Khemiri.

In der Theatergruppe einer schwedischen Schule treffen fünf Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Gemeinsam wollen sie Ein Traumspiel von August Strindberg auf die Bühne bringen. Jeder der Theaterschüler inszeniert seine eigene Traumsequenz. Die einzelnen Szenen sind stark von dem Selbstbild der jeweiligen Figur beeinflusst, während die Gegenspieler in ihren Klischees verharren: Der sonst plumpe Idris ist in seiner Szene tiefgründig und ideologisch, die schrullige Blanca wirkt verletzlich und sehnsüchtig und der Theaterlehrer Rolf (Björn Detlefsen) spricht in seiner fiktiven Oscar-Dankesrede akzentfreies Englisch. Dabei bildet Rolf, besessen vom Wunsch nach Ruhm, die einzige treibende Kraft. Seine Schüler zelebrieren unterdessen ihre pubertären Allüren und beten ihre ganz eigenen Götter an. Da wäre zum einen Idris (Marlon Putzke), dessen Wortschatz von Begriffen wie „Opfer“, „deine Mutter“ und „Schwuchtel“ dominiert wird. Seine infantile Begeisterung für Maschinengewehre und den 90er-Jahre-Rapper MC Hammer persiflieren großartig die stereotypen Halbstarken, die einem sonst nur in der U8 von Neukölln nach Wedding begegnen. Sprachwissenschaftler und Sozialpädagogen hätten gleichermaßen ihre Freude an ihm.

Hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen der weiblichen Darstellerinnen: Blanca (Anna Thiele) ist die nervige Göre, neben der jeder in seiner Schulzeit mal unfreiwillig sitzen musste. Die, die ausschließlich pinke Kleidungsstücke besaß und immer zwei Oktaven höher sprach, als jedes Trommelfell vertragen könnte. Thiele gelingt es jedoch, der schrulligen Selbstverliebten eine liebenswerte Seite zu verleihen. Mit Olivia (großartig verkörpert von Maike Schroeter) wird Blanca eine Figur gegenübergestellt, die ihre Fassade bröckeln lässt: das authentische, schlagfertige Mädchen, mit dem man gern befreundet gewesen wäre.

Die zentrale Figur und der Schlüssel zur Interpretation ist schließlich Sanoj (Josephine Lange): Als sie ihre Szene aufführt, erschließt sich dem Zuschauer die sonst verwirrende Handlung. Das unscheinbare und unauffällige Mädchen, das bis zur letzten Szene noch nicht einen Satz gesprochen hat, durchbricht ihren Außenseiterstatus und das Stück gipfelt in dem völligen Verschwimmen von Fiktion und Realität. Mit Sanoj, übrigens ein Palindrom von Jonas, offenbart sich die Botschaft des Schauspiels. Durch sie spricht der Autor unmittelbar zum Publikum. Die vorher so egozentrischen Charaktere schweigen und merken: das wird eine Abrechnung, die sich nicht mehr mit Coolness und Eitelkeit begleichen lässt.

In Fünf mal Gott verpackt Regisseurin Julia Beil gesellschaftliche Inhalte in die bonbonbunte Hülle der heutigen Popkultur. Ihre Figuren rücken dem Zuschauer mal mit ihrer Rührseligkeit aufs Gemüt, um im nächsten Moment über „strähnige Haare und Kackflecken“ zu gröhlen und zu Lady Gaga zu tanzen. Beil gelingt es, den Zuschauer in Gedanken auf den schwedischen Schulhof mitzunehmen und zum passenden Zeitpunkt in die Wirklichkeit zurückzustoßen. Schauspielerisch findet die Inszenierung auf einem für Berliner Off-Stücke ungewöhnlich hohen Niveau statt.

Fünf mal Gott wurde bereits im Frühjahr äußerst erfolgreich im Theater im Kino in Friedrichshain aufgeführt. Wegen der großen Resonanz wird das Stück am 9. und 10. Oktober 2010 wieder aufgenommen. Die Karten sollten frühzeitig reserviert werden.
Fünf mal Gott tik – Theater im Kino Boxhagener Straße 18, 2. Hinterhof, 3. Etage 9. + 10. Oktober 2010, 20:00 Uhr Eintritt (für Studenten) 4€ Kartenvorbestellung unter tiktheater@googlemail.com.

http://www.theater-im-kino.de

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

2 Responses

  1. konstantin sagt:

    klingt gut… könnt’ man mal hingehen

  1. 30. Juni 2010

    […] » Reinhören in “Slippery Damage” » Deutsche Übersetzung der Internationalen » Rezension des Theaterstücks Fünf mal Gott 7. Juni 2010, […]

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