Karriere machen mit FURIOS

Bis April leitete Jonas Breng die FURIOS-Redaktion. Nun ist er die Nachwuchskraft in der Kolumnistenriege der Berliner Zeitung. Ein verspäteter Abschiedsgruß von Hendrik Pauli an seinen Ex-Chef.

Vielleicht bald FURIOS-Ehren-Chefredakteur: Jonas Breng. Foto: Privat.

Lieber Jonas,

es besteht gar kein Zweifel: FURIOS-Chef ist ein nervenaufreibender Job, immer am Rande der Selbstausbeutung; unzuverlässige Autoren, faule Ressortleiter und dazu noch die ständigen Anfeindungen aus dem linken FU-Mainstream. Wer dieses Stahlbad länger als ein Jahr durchhält, der kriecht auf dem Zahnfleisch. Oder empfiehlt sich für höhere Aufgaben. Bei dir kam beides zusammen. Du warst nicht nur unser Organisationsgenie, unser Antreiber und unerbittlicher Textschleifer, du warst auch der Mann für die großen Leute und wichtigen Themen.

Du interviewtest Bundespräsidentschaftskandidatin a.D. Gesine Schwan und Bildungssenator Jürgen Zöllner, bewiesest deine Beobachtungsgabe mit einem detailreichen Porträt über unseren Präsidenten Peter-André Alt und erklärtest das Schreckgespenst der Lehrprofessuren. FURIOS: das nährende Biotop für aufstrebende journalistische Talente. Irgendwann war dein Akku leer, aber die Energie war gut investiert. Die Berliner Presse war auf dein Können aufmerksam geworden.

Da freuen wir uns natürlich, dass wir dich nun so aufgeräumt zu Gesicht bekommen, wie schon lange nicht mehr. Einen Mundwinkel lässig angezogen, das Kinn leicht vorgeschoben, den Pony verwegen nach Norden gebürstet, so wirst du von nun an einmal im Monat auf uns, deine Leser, schauen. Ein junger, alerter Typ, der uns was zu sagen hat. Wie ich erfahren habe, sollst du frischen Wind bringen in die an Silberrücken nicht gerade arme Kolumnistenriege der Berliner Zeitung, sollst dem jungen, dem studentischen Berlin eine Stimme geben.

In deiner Debütkolumne schreibst du über „Europas vergraulte Jugend“. Du bist 23 Jahre alt und studierst Politikwissenschaft. Ein geschickt gewählter Titel also, mit dem du deine Kernkompetenz vorneweg schon mal eingekreist hast, dazu etwas emotional garniert, „um den Einstieg zu erleichtern“. So hättest du versucht, mir diesen Titel für einen meiner Texte schmackhaft zu machen.

Klar, denke ich, Europa! Und ich steige direkt ein. Der Sportteil muss heute Morgen warten. Europa, daran kommt dieser Tage niemand vorbei. Wer weiß, wie lange es Europa überhaupt noch gibt. Blutige Straßenschlachten in Athen, milliardenschwere Chinesen vor Berlin und in Rom ein alternder Lustmolch als Ministerpräsidentendarsteller. Wir sind arg gebeutelt. „Krisenkinder“ nennst du uns, die aber – der Krise sei’s gedankt – „so schnell nichts umwirft“, weil wir doch schon so einiges an Unbill überstanden haben – oder ganz sicher überstehen werden: Schuldenkrise, Finanzkrise, Atomkrise, Klimakrise. Eine „seelenschützenden Hornhaut“ umgibt uns, „abgeklärt, stoisch“ harren wir der Dinge, weil „wir Jodtabletten für den nächsten Super-GAU gehortet haben.“ Ja nee, is klar. Wer mit Hochgeschwindigkeit durch den Anspielungsreichtum des Zeitgeschehens rast, der nimmt halt schon mal die falsche Ausfahrt. Schwamm drüber, Jonas! Den Lesespaß trübt das nicht im Geringsten. Schreiben kannst du schließlich.

Und du bringst ja tatsächlich interessante Gedanken zu Papier. Da kann Europas Jugend vor dem Athener Parlament oder auf der Puerta del Sol in Madrid noch so laut für ihre Zukunft streiten, an die Berliner Universität „will der Funke einfach nicht überspringen“, wie du sehr richtig beobachtet hast. Nicht mal ans Otto-Suhr-Institut , wo – leider – „jeder grundsätzlich zu allem eine Meinung hat.“ Den Vortrag von Jürgen Habermas an der HU vor zwei Wochen hast du als einzig nennenswerten Beitrag in Europadebatte ausgemacht. Die tausend Leute waren nicht wegen Europa da, sondern weil dort ein fitter 81-jähriger mit schlohweißem Haar und Starqualitäten sprach, ein Helmut Schmidt der Gelehrtenwelt sozusagen.

Europa fehlt jeglicher Glamour. Du erwähnst „die graue Sippschaft der EU-Technokraten“, mit denen sich niemand identifizieren will. Doch vermisse ich einen kühnen Vorschlag von dir: Habermas for EU-President, oder Schmidt! Weise, weltläufige Männer, die nichts von Facebook und Couchsurfing wissen, die uns trotzdem oder gerade deswegen für Europa als generationenübergreifendes Friedensprojekt begeistern können.

Stattdessen siehst du unsere Kommilitonen immer nur auf dem Weg „nach London, Barcelona, Warschau“, überall Kommilitonen, die gerade wieder dabei sind, „sich unverkrampft als Europäer zu begreifen.“ Nunja, unverkrampft, das ist so ein Lieblingswort von dir. Ist es unverkrampft, das zu tun, was alle tun, oder ist es einfach nur clever? Ist das Ausdruck eines sich entwickelnden europäisches Staatsbürgerbewusstsein oder eher von europäischem Bildungs- und Partytourismus? Ich weiß es nicht.

Wie auch immer: Du willst jedenfalls, dass endlich mal gut ist mit dem ewigen Von-Europa-vergrault-sein. Darum schließt du mit einem emphatischem Appell an uns deutsche Krisenkinder: „Europa braucht die Jungen, und die Jungen brauchen Europa. Mischt euch ein. Kratzt die Hornhaut ab!“ Du warst ein guter Chef, ich habe viel von dir gelernt, und ich will nicht minder empathisch schließen: FURIOS verdankt dir viel, und du hast FURIOS viel zu verdanken. Lass dich ruhig mal wieder in der Redaktionssitzung blicken!

Herzliche, unvergraulte Grüße,

Dein Hendrik

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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