Erst die Arbeit, dann…der Master

Masterplatz-Garantie für alle – dank eines Gerichtsbeschlusses über die Unrechtmäßigkeit des Psychologie-NC an der HU könnte dies bald Realität werden. Rani Nguyen hält davon nichts. Er befürwortet berufliche Praxis als Zugangshürde für den Master.

„Masterstudium für alle“ war eine der am häufigsten artikulierten Forderungen in der StuPa-Wahl. Doch was wird da verlangt? Eine Masterplatzgarantie: Das heißt auch 50 auf Boden und Fensterbank zusammengepferchte Studierende, ein Dozent und wöchentliche Referatsmarathons – und das, obwohl hier doch Wissen vertieft werden soll. Laut der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schließen heute schon drei Viertel aller Absolventen nach dem Bachelor sofort ein Aufbaustudium an. Gäbe es einen Masterplatzanspruch, wären es wohl noch mehr. Eine weitere Erhöhung des Berliner Bildungsetats ist in Anbetracht der allgemeinen Sparpolitik und des bereits um 17 Prozent erhöhten Hochschulbudgets (2006-2010) unwahrscheinlich.

Trotzdem ist die Argumentation für einen Anspruch auf einen Masterstudienplatz vielfältig – oftmals aber wenig stichhaltig. Die Annahme, dass mit einem Bachelor weniger verdient wird, stimmt mehrheitlich – allerdings ist der Unterschied gering. Die Gehaltsstudie 2011 der Personalvermittlung alma mater ergab: Bachelor-Absolventen steigen mit durchschnittlich 40.000 Euro bei deutschen Großunternehmen ein, Master-Absolventen mit 42.000 Euro. Bei Kleinunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern verdienen Bachelor-Absolventen sogar 1000 Euro mehr als Master-Absolventen. Laut dem Staufenbiel Institut, einem Karrieredienstleister, besteht der Gehaltsunterschied nur anfangs, denn danach steigt der Lohn im Verhältnis zur Leistung – ganz gleich ob Bachelor oder Master.

Auch bei der Arbeitsplatzsuche tun sich Bachelor-Absolventen nicht schwerer. Dass sie in etwa genauso schnell Arbeit wie Magister- oder Diplom-Absolventen finden, zeigte eine Studie der Universität Kassel. Die Kampagne „Welcome Bachelor“ der deutschen Wirtschaft bestätigt die gewachsene Akzeptanz des Bachelors.

Ein Master bedeutet also nicht automatisch mehr Akzeptanz und Bares. Welches Unternehmen will schon einen Master-Absolventen, der mit theoretischem Wissen glänzt, aber noch keine praktische Erfahrung gesammelt hat? Kritiker führen hier natürlich die Ökonomisierung der Bildung an: „Man lernt ja nicht für die Wirtschaft, sondern für sich selbst!“ Eine plausible Aussage, jedoch bleibt dabei eines unberücksichtigt: Die Hochschule stellt nur eine der verschiedenen Säulen des Lernens dar. Nicht nur im Master-Studium lernt man. Auch soziales Engagement, politische Teilnahme und eigenständiges Lernen führen zu persönlicher Reife – und das sogar weitgehend kostenlos.

Was unter Studenten im Alltag ständig geäußert, allerdings in der Debatte kaum eingestanden wird, ist die Unwissenheit, was man mit dem eigenen Leben eigentlich anfangen will. Da scheint der Master optimal, um die Entscheidungsfindung noch zwei weitere Jahre auf die lange Bank zu schieben. Nebenbei hat man noch das Äquivalent zum vermeintlich sicherheitsstiftenden Diplom ergattert – und die Solidargemeinschaft etwa 20.000 Euro gekostet. Studierende, die einfach mal einen Master machen, weil sie nicht wissen, was sie sonst machen sollen, kosten aber nicht nur Geld. Sie beeinträchtigen auch das Studium für jene, die nicht bloß zum Zeitvertreib an der Uni bleiben.

Deswegen sollte der garantierte Übergang ausschließlich bestimmten Berufsgruppen wie Forschern oder Lehrern vorbehalten sein: Für sie ist das weitere Studium nämlich Bedingung für eine spätere Berufspraxis. Aber wie prüfen, ob jemand tatsächlich in die Forschung gehen will? In den USA ist es zum Beispiel vielerorts üblich, künftige Forscher und Wissenschaftler nur dann für ein postgraduales Studium zuzulassen, wenn sie nicht nur den Master, sondern auch gleich den Doktor machen.

Um den Master nicht zum Auffangbecken für Unentschlossene verkommen zu lassen, ist es sinnvoll, Berufserfahrung zur Voraussetzung für den MA-Zugang zu machen. Während der Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt nach dem Bachelor lassen sich berufliche Perspektiven und Interessen identifizieren. Im anschließenden Master kann dann Praxis mit vertiefter Theorie verbunden werden, so wie es bei MBA-Programmen bereits der Fall ist. An der FU existiert beispielsweise der Executive Master of Business Marketing, der nur mit dreijähriger Berufserfahrung zugänglich ist. Ein weiterer Vorteil des obligatorischen Berufseinstiegs: Einige Bachelor-Absolventen werden erkennen, dass sie doch keinen Master machen wollen.

Anstatt darauf zu pochen, allen ein Master-Studium zu garantieren, sollte der Fokus vielmehr darauf liegen, die Floskel Chancengleichheit beim Wort zu nehmen und möglichst Vielen ein Studium überhaupt zu ermöglichen. Aufgrund doppelter Abiturjahrgänge und aussetzender Wehrpflicht hatte Deutschland im Jahr 2011 eine Studienanfängerquote von sensationellen 55 Prozent (+ 10%). Selbst diese situationsbedingte Zahl liegt unter dem OECD-Durchschnitt. Bis Deutschland den Spitzenreitern Norwegen (77 Prozent), Polen (85 Prozent) oder gar Australien (94 Prozent) das Wasser reichen kann, ist es noch ein weiter Weg.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

4 Responses

  1. Elitefreak sagt:

    Aber wollen wir denn wirklich die ganzen faulen Studenten bei uns in den Masterprogrammen? Ich fände es schon schön, wenn man mehr unter sich ist – also Leuten, die auch was aus ihrem Leben machen wollen.

  2. Henrice sagt:

    Der Master muss für alle Studierenden frei zugänglich sein- im Moment machen zu geringe Studienplatzkapazitäten, intransparente Bewerbungsverfahren oder unerreichbare Zulassungsvoraussetzungen Studierenden den Wechsel zum Master schwer oder unmöglich.
    Die universitäre Ausbildung verkommt somit zum Eliteförderungsprogramm.
    Dass der Bachelor in Deutschland erstens in den wenigsten Studienbereichen berufsqualifizierend und zweitens selten qualitativ hochwertig ist, ist bereits hinlänglich bekannt. Anstatt massiv Geld in andere vermeintlich wichtigere Bereiche zu pumpen, muss Deutschland mehr Geld für Bildung und Hochschulen ausgeben- im Moment sind es weniger als 5% des BIPs!

    Doch vollkommen unabhängig von der „Nützlichkeit“ des Studiums für die „Solidargemeinschaft“
    ist freie Bildung ein Menschenrecht- und das schließt ein Recht auf einen Studienplatz für alle Abiturienten sowie einen freien Masterplatz für alle Bachelor- Absolventen mit ein!Die Kosten- Nutzen- Abrechnung ist pervers- und irreführend. Berufliche Qualifizierung stellt nur eine Säule der Universität dar- es geht u.a. auch um intellektuelle Reife.

    Ich kann mich „Teufel“ nur anschließen.
    Solidarische Grüße!

  3. xyz sagt:

    ich frag mich ob der autor irgendeine realistische einschätzung vom arbeitsmarkt hat. das klingt hier nach: wer einen job will, der bekommt auch einen und wer einen hat, ist dann auch dazu bereit den für zwei jahre studium wieder abzugeben. realitätsfern und elitär. mehr nicht.

  4. Teufel sagt:

    “Neben­bei hat man noch das Äqui­va­lent zum ver­meint­lich sicher­heits­stif­ten­den Diplom ergat­tert – und die Soli­dar­ge­mein­schaft etwa 20.000 Euro gekos­tet.”
    – womit das neoliberale Krawallkommando mal wieder seinen furiosen Klassenstandpunkt bewiesen hat.
    Sollen doch die ganzen Kiffer, Flegel und Faulaersche endlich mal arbeiten gehen, anstatt sich immerzu zu beschweren!
    By the way: Bringt ein Masterstudent, der sich zwei weitere Jahre im Niedriglohnsektor verdingen darf, nicht genau der gleichen deutschen Wirtschaft schoene Gewinne (weil keine Sozialabgaben), die neuerdings darueber bestimmen moechte, wer Zugang zu hoeherer Bildung bekommt und wer nicht? Das sind so Fragen…
    Und wenn sich nach dem Bachelor halt kein Job findet, dann gibts auch keinen Master.
    Pech gehabt, praxisferne Idioten! Bleibt ja noch der 400 Euro Job, wo ihr euch nuetzlich machen koennt. Da brauchts dann auch keine Uni mehr fuer den weiteren Lebensweg, sondern ein bisschen “sozia­les Enga­ge­ment, poli­ti­sche Teil­nahme und eigen­stän­di­ges Ler­nen” muessen halt auch mal reichen.
    Dass so mancher nicht studiert, um hernach im “Exe­cu­tive Mas­ter of Busi­ness Mar­ke­ting” zu verenden bzw. es einfach niemanden was angeht, was man mit seinem eigenen Leben anfaengt (schon gar nicht, Gott bewahre!, die Furios); allein der Gedanke scheint hier schon fuer Blasphemie zu gelten.
    Immerhin, bei Rani Nguyen traegt die Exzellenzinitiative, ausweislich seines vorbildlich saturierten Zynismus, erste Fruechte.

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