Let´s talk about sex

Sexualkundeunterricht — für deutsche Jugendliche mehr Peinlichkeit als Privileg. Ganz anders in Ghana: Sexualität und Aufklärung sind dort Tabuthemen. Boa Nnipa, eine NGO, die von FU-Studierenden gegründet wurde, will das ändern. Von Kirstin MacLeod

Jeff Klein und Carla Husted, die Gründer der NGO Boa Nnipa

Jeff Klein und Carla Husted, die Gründer von "Boa Nnipa". Foto: Kirstin MacLeod.

„Boa Nnipa“ so lautet der Name der NGO, die die FU-Studentin Carla Husted zusammen mit ihrem Kommilitonen Jeff Klein gegründet hat. Er bedeutet so viel wie „help the people“. Die Idee dahinter: ghanaische Jugendliche sexuell aufklären und das Tabuthema „Sex“ transparenter machen. „Der Name ist Programm“, erklärt Carla, denn die Idee hinter der Organisation sei gerade nicht, hinzugehen und den Betroffenen die Lösung für ihr Problem zu diktieren. „Wir wollen mit ihnen in Dialog treten und nachfragen, was wir tun können, um zu helfen. Dabei folgen wir immer unserem Motto: Help me and let me help you.“ Ganz konkret bedeutet das, Seminare an Schulen in Ghana geben, damit die Schülerinnen und Schüler aufgeklärt werden.

Seinen Anfang nahm alles im Jahr 2009. Damals absolvierte Carla im Rahmen von „Weltwärts“ einen Freiwilligendienst in Ghana. Statt Engagement erlebte sie Ernüchterung – „ein echtes Negativbeispiel humanitärer Hilfe“, wie sie sagt. Augenscheinlich war sie zwar in einem Hilfsprojekt beschäftigt, doch in Wirklichkeit gab es für Helfer wie Carla keine Arbeit. „Ich war mit dem Anspruch nach Ghana gekommen, etwas zu verändern und zu helfen. Deswegen habe ich dann zusammen mit Sammy, einem ghanaischen Freund, ein eigenes Bildungsprojekt gestartet“, erzählt sie rückblickend.

Die beiden wurden zufällig Zeugen einer Diskussion darüber, ob es an Schulen in Ghana erlaubt sein sollte, Sexualkunde zu unterrichten. Den Schülern, die an der Diskussion teilnahmen, habe es an essentiellem Grundwissen gemangelt, erzählt Carla; die Lehrer wiederum hätten Abstinenz als oberstes Gebot zum Schutz vor sexuellen Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften vermittelt. Transparente Aufklärung über Verhütung habe nicht stattgefunden. Deshalb begannen Carla und Sammy, an zahlreichen Schulen Aufklärungsseminare zu geben. Von Beginn an erhielten die beiden durchweg positive Resonanz — sogar von der ghanaischen Regierung.

Nach einem Jahr endete Carlas Freiwilligendienst und sie kehrte nach Deutschland zurück. Sammy mangelte es an ausgebildeten Helfern und Lehrern; das Projekt schlief ein. Dann aber lernte Carla an der Freien Universität Jeff Klein kennen und erzählte ihm von ihrer Zeit in Ghana. Er verstand sie auf Anhieb: „Ich bin selbst Kind ghanaischer Einwanderer und kenne die Probleme, was mangelnde Aufklärung betrifft“, erzählt er heute. Es seien nicht nur die bekannten sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV, sondern auch mangelndes Wissen darüber, wie Frauen und Männer respektvoll miteinander umgehen sollten. „Außerdem sind die wenigsten hinreichend über die gängigen Verhütungsmethoden aufgeklärt“, erklärt er. „Deshalb kommt es zu zahlreichen ungewollten Schwangerschaften gerade bei jungen Frauen, die von ihren Familien keinen Rückhalt erfahren.“

Um das zu ändern, flogen die beiden im vergangenen August zusammen nach Ghana und ebneten erneut den Weg für Boa Nnipa. Zuvor hatten sie in Deutschland Seminare besucht, die sie als Sexualkundelehrer qualifizierten, sodass sie vor Ort unterrichten durften und selbst neue Aufklärungslehrer ausbilden konnten. „Der Dialog mit Betroffenen und einheimischen Lehrern ist absolut prioritär. Nur wenn wir es schaffen, beide Seiten von Anfang an in unser Projekt zu integrieren, können wir die nötige Akzeptanz und Unterstützung dafür gewinnen“, erklärt Jeff ihre Arbeit.

Zu Beginn des kommenden Wintersemesters werden Carla und Jeff erneut für sieben Monate nach Ghana gehen. Dort wollen sie neue Lehrkräfte ausbilden, selbst unterrichten und Helfer rekrutieren, damit sich Boa Nnipa nach ihrer Rückkehr im März 2013 selbst tragen kann und ein fester Bestandteil des ghanaischen Bildungssystems wird.

„Wenn das der Grundstein für unsere berufliche Zukunft wäre, dann ist das das Beste, was uns passieren konnte“, schwärmt Carla. „Schließlich waren wir dann von Anfang an dabei. Unser Traum auf lange Sicht wäre der Aufbau eines Familienplanungszentrums. Aber bis dahin gibt es noch viel zu tun.“

Wer sich selbst ein Bild von Boa Nnipa und den Gesichtern dahinter machen möchte, kann das an diesem Dienstag im Club Cookies (Behrenstrasse 55, Mitte) tun. Dort veranstalten Carla und Jeff eine Charity-Party. Für die Musik auf dem Main-Floor sorgen Eva Be und Clè, die beide der Electro- und Technoszene entstammen, sowie Hillz, der auf dem Hip-Hop Floor auflegen wird. Der Eintritt kostet 8 Euro; der Erlös kommt dem Aufklärungsprojekt zugute.

Weitere Informationen über Boa Nnipa gibt es auf http://www.boannipa.com/ .

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

1 Response

  1. Larissa sagt:

    Ich finde Menschen, die solche Projekte auf die Beine stellen haben großes Respekt verdient. Was die Aufklärung betrifft, denke ich jedoch leider, dass sich auch die westlichen Länder auf absteigendem Kurs befinden. Schließlich entstehen allein durch das Internet und dessen uneingeschränkten Angebot zu jeder x-beliebigen Zeit enorme Probleme. […] Der letzter Satz dieses Kommentars wurde entfernt. Direkte Werbung für den Kauf eines Buches hat nichts mit diesem Artikel zu tun.

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