Spuren der Unfreiheit

Auf dem Feld der „Tempelhofer Freiheit“ brachten Forscher der FU Berlin Relikte aus der Nazi-Zeit ans Licht. Dort wurden einst etwa 4.000 Menschen zur Arbeit für die Lufthansa gezwungen. Von Janna Rheinbay

Dank der Mitarbeit eines Teams von der FU wurden Reste eines Zwangsarbeiterlagers der Lufthansa freigelegt Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Aufgereiht und fein säuberlich verpackt in Plastiktüten liegen die Funde im Archäologischen Depot auf dem Tempelhofer Feld, wo die Forscher den Gegenständen nun ihre Geschichte entlocken. „Das Ensemble von Architektur-Resten und Funden erhellt den kargen Alltag der Zwangsarbeit besser als historische Dokumente“, erklärt Professorin Susan Pollock vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität. Ein alter Soldatenhelm, eine demolierte Schalttafel, Identitätsmarken amerikanischer Soldaten und weitere Dinge wurden während der Grabungen zwischen Juli und Oktober dieses Jahres auf dem Tempelhofer Feld von Bodendenkmalpflegern des Landesdenkmalamtes und Archäologen der FU freigelegt.

Vorbei an einem Feld, auf dem amerikanische Stationierte zu ihrer Zeit Baseball spielten, führt das Forscher-Team zur abgesperrten Grabungsstätte. Zu sehen sind Steinwände, Rohre und Stahl: Gebäudereste des Zwangsarbeiterlagers der Lufthansa. Insgesamt 4.000 Frauen und Männer, überwiegend aus Osteuropa, arbeiteten hier für die SS an Flugzeugen. In den freigelegten Baracken wurden nach offiziellen Angaben 100 Menschen auf etwa 42 Quadratmetern festgehalten. Vermutlich waren es sogar mehr.

Die Rohre sind Reste der Warm- und Abwasserversorgung der Baracken. Diese hygienischen Installationen sollten der Verbreitung von Krankheiten wie Tuberkulose und Schwarzem Fieber vorbeugen, denn die Ansteckungsgefahr unter den schlechten Lebensbedingungen und der räumlichen Enge war besonders hoch. Außerdem wurden 2,50 Meter hohe Splitterschutzgräben freigelegt, die zum Schutz der Arbeiter gebaut wurden – natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit, „sondern um Arbeitsausfall durch Krankheit und somit sogenannte Rüstungsbehinderung zu mindern“, erklärt Grabungsleiter Jan Trenner.

Wie so häufig bei einschlägigen archäologischen Funden, stieß man nur zufällig auf die Relikte der Nazi-Zeit. Die Grabungen begannen für die Internationale Gartenschau 2013. Nach den Funden ließ man diese als archäologische Notgrabung weiterlaufen. Im Frühjahr sollen die Arbeiten wieder aufgenommen und auf das Areal des ehemaligen KZ Columbiahaus ausgedehnt werden. Genau an dieser Stelle war der Bau eines Gesundheitszentrums als Teil des Columbia-Quartiers geplant, mit dem unter anderem das Tempelhofer Feld dichter bebaut werden sollte. Die Planung dafür wurde zwar zunächst aufgeschoben, wird möglicherweise jedoch wieder aufgenommen werden, sobald die Grabungen beendet sind.


Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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