Die Metamorphose des Coversongs

In der Kir­che gibt es das Wort, bei FURIOS den „Song zum Sonn­tag“. In den Semes­ter­fe­rien stellt Robert Ull­rich jede Woche ein Musik­stück vor. Augen zu, Laut­spre­cher an – heute: Coversongs!


Ein Coversong ist wie ein Schmetterling: Geboren als Ei, entwickelt zur Raupe, entlassen als Flügeltier. Mit jeder Generation werden dem Coversong die Erfahrungen der verstrichenen Zeit eingeprägt.

Das Ei des Coversongs, gelegt von Neil Young, betitelt: „Hey Hey, My My“. Kurt Cobain, die Raupe – ewig hungrig, bald schon gestorben – ermöglicht den Schmetterling: „Into the Black“ von den „Chromatics“.

Ursprünglich ging es Neil Young 1979 mit seinem Song um das Schicksal der Rockmusik. An deren Zukunft kamen Zweifel auf, als der Punk – für Young in Gestalt der Sex Pistols und Frontsänger Johnny Rotten – zur Verdrängung ansetzte.

Kurt Cobain legte seinen Fokus im Jahr 1994 nicht auf die Musik, sondern auf den Text. In seinem Abschiedsbrief zitiert er Youngs Textzeile: „It’s better to burn out than to fade away“, sorgte so für ein Aufleben des Young-Titels und bereitete zahlreichen Covern den Weg.

Die Band „Chromatics“, so scheint es, vereinen Geschichte und Musik im Jahr 2012 wieder miteinander. Die Zeile, die einst zum Kampf motivieren sollte und im Selbstmord endete, wird nun melancholisch in den Raum gestellt und lässt die Fragen fließen.

Für was haben Menschen nicht schon alles gebrannt? Für den Nationalstaat, für Tugendhaftigkeit, die Religion, die Liebe, bedingungslose Selbstentfaltung. Was passierte, wenn sie verbrannten? War es das wert? Vor 120 Jahren schrieb Nietzsche: „Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der nicht Dank haben will und nicht zurückgibt: Denn er schenkt immer und will sich nicht bewahren.“

Ob es wert war gebrannt zu haben, entscheidet nicht die Flamme, sondern die Nachwelt. Ende der Selbstbestimmung. Im fertigen Schmetterlingssong „Into the Black“ heißt es mahnend: „Once you’re gone / You can never come back.“ Verstehen lässt sich das erst beim Rückblick auf die vergangene Metamorphose.

Song: Into The Black
Interpret: Chromatics
Album: Kill for Love, 2012
Label: Italians Do It Better (rough trade)
Preis: 15 Euro (CD-Album), Song-Download kostenlos bei SoundCloud

Frontpage-Illustration: Luise Schricker

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Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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