Großes Gremium ganz klein

Die studentische Vollversammlung ist zur Veranstaltung einer kleinen Minderheit verkommen. Der eigentliche Auftrag des Gremiums wurde völlig ins Gegenteil verkehrt, findet Veronika Völlinger.

Eine seltsame Stimmung lag bei der studentischen Vollversammlung (VV) am 23. Oktober in der Luft. Es sollte eine Auftaktveranstaltung zum neuen Semester sein, doch die Reihen waren spärlich besetzt. Stattdessen drängten sich den Anwesenden Banner mit Sponti-Sprüchen auf, deren universitärer Bezug zu wünschen übrig ließ.

Das Gremium der studentischen Vollversammlung hat sich davon verabschiedet, seinen offiziellen Auftrag zu erfüllen. Es ist zu einem lockeren Treffen einer kleinen Gruppe von Aktivisten des Bildungsprotests und ihm nahe stehenden Gruppen geworden, die ihnen nahe stehenden Themen besprechen. Der oft kritisierte Elitismus – auch in der VV hat er sich in einer bestimmten Art und Weise manifestiert.

Dabei ist die VV das größte studentische Gremium. Die Satzung der Studierendenschaft sieht vor, dass die VV zur Entscheidungsfindung der Organe der Studierendenschaft beiträgt. Sie soll Beschlüsse fassen und diese dem Studierendenparlament (Stupa) und dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) vorlegen. Zwar haben diese Beschlüsse nur empfehlenden Charakter, doch sie sollen eine Möglichkeit bieten, eine größere Gruppe von Studierenden in die hochschulpolitischen Entscheidungen einzubinden und diese damit zu legitimieren.

Stattdessen erzählen Aktivisten etwas über die Situation der Arbeiter im Einzelhandel. Ein völlig deplatzierter Vortrag – ein Beschluss dazu käme nie zustande, denn die Organe der Studierendenschaft dürfen sich nicht zu allgemeinpolitischen Belangen äußern. Gleiches gilt für die berlinweiten Initiativen, denen ein Podium auf der VV gegeben wurde.

Wo sind die Empfehlungen fürs Stupa?

Doch auch bei hochschulpolitischen Themen wie der Zivilklausel oder verhinderten studentischen Veranstaltungen, zu denen die VV hätte Beschlüsse fassen können, tat sich nichts. Am Dienstag, 5. November, tritt das Stupa zum ersten Mal im neuen Semester zusammen. Die Vollversammlung fand zwei Wochen vorher statt – der ideale Zeitpunkt, um einen Beschluss zu fassen und an das Stupa weiterzuleiten. Diese Chance wurde vertan.

Natürlich wäre die VV nicht beschlussfähig gewesen. Fünf Prozent der Studierenden hätten für einen Beschluss anwesend sein müssen, das sind etwa 1600. Es ist kein Geheimnis, dass Hochschulpolitik die Mehrheit der Studierenden kalt lässt. Umso verwerflicher ist es dann aber, dass eine kleine Gruppe aus der VV eine Veranstaltung macht, die einer Vorstellungsrunde universitärer und nicht-universitärer Gruppen gleicht. Wenn die VV nur noch eine Minderheit von Studierenden anspricht und in den Hörsaal lockt, müssen die Verantwortlichen dafür auch selbstkritisch nach Gründen suchen.

Das Gremium der studentischen VV erfüllt seinen demokratischen Auftrag nicht mehr – mit gravierenden Folgen: Wenn die demokratische Selbstverwaltung der Studierendenschaft nicht funktioniert, ist es schwer, glaubwürdig mangelnde Demokratie in anderen universitären Gremien zu kritisieren.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Schräge Analyse sagt:

    Als jemensch, der an der Vorbereitung der VV teilgenommen hat empfinde ich die Analyse, die durchaus einige wichtige Punkte anschneidet als etwas schräg.

    Wie im Artikel korrekt dargestellt wird scheint die große Mehrheit der Studierenden Hochschulpolitik als etwas wahrzunehmen, was für sie nicht spannend und/oder relevant ist.

    Die Aktivist_innen des Bildungsprotests gehören zu den wenigen, die nach wie vor versuchen sich auf verschiedenen Ebenen – in Gremien; durch Information via Publikationen, Webauftritt und Informatiosnveranstaltungen; und ggf. durch verschiedene Formen des Protests – für die Studierendenschaft einsetzen.

    Ob der geringen Resonanz der VV ist es sicherlich Zeit sich zu fragen wie studierende vielleicht erfolgreicher angesprochen und für Hochschulpolitische Themen sensibilisiert werden können. Den Vorwurf jedoch, dass die VV – ein Gremium, welches auf verschiedene weise von jeder_r/m Studierenden einberufen werden kann – seinem demokratischen Anspruch nicht gerecht wird halte ich für unverschämt.

    Immerhin wurde öffentlich zu einem Vorbereitungstreffen eingeladen, an dem sich jede_r hätte beteiligen und einbringen können.
    Ferner hat der Bildungsprotest auch in seinem Aufruf zur Vollversammlung darauf hingewiesen, dass die VV nicht nur von jenen Gestaltet wird, die die VV vorbreiten, sondern von allen die kommen – die bemängelten nicht getroffenen Beschlüsse hätten durchaus von anwesenden vorgeschlagen werden können, hätten jedoch aus gründen, die ihr ja selbst im Artikel nennt keinerlei wirkung gehabt.

    Auch eure darstellung es ginge in der VV primär um die Streiks im Einzelhandel ist absolut falsch. Auf der VV haben sich verschiedene an der “F”U Aktive Gruppen vorgestellt um gerade neue studierende darüber zu informieren welche möglichkeiten es gibt sich zu engagieren bzw. einzubringen. Eine der dieser Gruppen, die auch hochschulpolitisch Arbeitet udn eine StupaListe stellt aber aktuell den Einzelhandelstreik thematisiert hat sich dort vorgestellt. Alle Beiträge behandelten Themen, die insbesondere Studierende betreffen und die Behauptung, dass es sich nur um Bildungsprotest&Friends handelte ist insofern falsch, als dass auch alle anderen Gruppen die möglichkeit hatten zum öffentlichen und mit mehr als 4000 Flyern beworbenen Vorbeitungstreffen hätten kommen können.

    Fazit? Es ist durchaus sinvoll und sogar notwendig zu hinterfragen weshalb sich studierende immer weniger um hochschul- und gesellscahftspolitische Themen scheren und somit derartige Veranstaltungen nicht mehr besodners erfolgreich sind. Dabei ist sicherlich auch Kritik an der Organisation und dem Modus der Veranstaltung berechtigt.
    Aber der Veransaltung ihren demorkatischen Auftrag und Anspruch abzusprechen, nachdem nun wirklich alles dafür getan wurde, dass sich alle, die intresse hatte neinbringen konnten ist keien kosntruktive Kritik mehr, sondern lediglich nörglerisches Besserwissertum von eienr Person, die es ja nochnichteinmal versucht hat eine VV zu organisieren – schade.

    Also wenn dir soviel an diesem Gremium liegt und du soviele Ideen hast, wie es besser organisiert und gestalltet werden könnte, dann bring dich doch das näcshte mal in die Vorbereitung, Bewerbung und durchführung ein!

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