Musik statt alter Männer

Inga Humpe, die Frontfrau der Berliner Band 2raumwohnung, hat an der FU Philosophie studiert. Im Männerverein Universität fühlte sie sich stets fehl am Platz. Von Tessa Högele und Sarah Ashrafian

Inga Humpe ist seit14 Jahren Teil der Band 2raumwohnung. Foto: Das Kowalski Komitee

Inga Humpe ist seit14 Jahren Teil der Band 2raumwohnung. Foto: Das Kowalski Komitee

Dieser Tage fühlt sich frau auf den Fluren der FU nicht mehr wie eine Kuriosität. Als Inga Humpe hier studierte, sah das noch ganz anders aus. „Ich hatte das Gefühl, dass 70 bis 80 Prozent der Studenten Männer waren. Selbst in den Geisteswissenschaften“, erzählt die Musikerin. Für ihr Philosophie-Studium wechselte sie 1976 von der RWTH Aachen zur FU Berlin. Richtig angekommen ist sie hier allerdings nie, gibt sie zu. Menschenmassen in der Mensa und der Irrgarten Rostund Silberlaube: Humpes anfängliche Verlorenheit können viele Erstsemester sicher heute noch nachvollziehen. Doch für Humpe verschwand die Orientierungslosigkeit auch in den darauffolgenden Semestern nicht.

Sie hatte das Gefühl, als Frau an der Uni fehl am Platz zu sein. Männer dominierten die Hochschullandschaft und die politischen Initiativen der 70er- und 80er-Jahre. „Die Frauen saßen damals in den Vorlesungen und haben gestrickt“, kritisiert Humpe. Sie hingegen mischte aktiv bei den Nachwehen der 68er-Studentenbewegung mit: Hausbesetzungen und Protestaktionen standen auf der Tagesordnung. „Dabei habe ich manchmal auch von der Polizei gut was auf die Finger bekommen“, erinnert sie sich lachend.

Ihr Philosophiestudium machte sie währenddessen immer unglücklicher. „Der Studienalltag wurde von alten weißen Männern bestimmt, die über die Ansichten noch älterer weißer Männer debattierten“, erzählt sie. Dabei ging es selten um konkrete Ideen für ihre Zukunft. „Damals habe ich auch nicht für die Themen gebrannt. Ich glaube, ich war allgemein einfach noch nicht reif genug für ein Studium“, erinnert sich die Sängerin.

Nebenher arbeitete Inga Humpe als Garderobiere an der Schaubühne Berlin. Die Atmosphäre des Theaters gefiel ihr. Um der grauen Theorie endlich zu entfliehen, brach sie das Philosophiestudium ab und wechselte an die Hochschule der Künste. Dort beendete sie ihr Schauspielstudium zwar mit Erfolg. In diesem Beruf arbeitete sie jedoch nie. Sie hatte sich im künstlerischen Umfeld ausprobiert und etwas entdeckt, das ihr noch viel mehr lag: die Musik.

Ende der 1970er-Jahre gründete sie ihre erste Punk-Band Neonbabies. Später wurde sie Sängerin der Band Deutsch-Österreichisches Feingefühl, die einen Neue-Deutsche-Welle-Hit landete, der heute noch bekannt ist: „Codo (Ich düse, düse im Sauseschritt)“. „In der Musik hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich meine Frau stehen konnte. Mit dem Erfolg kam der Moment, in dem ich selbst bestimmen konnte, wie ich es haben möchte und wie es laufen soll“, erzählt Humpe. Das sei ihr Anspruch an ihre Musik und an die Menschen, mit denen sie arbeite. Heute ist Humpe mit der Band 2raumwohnung unterwegs, die sie in den 1990er-Jahren gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart gründete.

Der Studienabbruch hat sich scheinbar gelohnt. Dennoch bedauert die Künstlerin, nie den richtigen Zugang zum Philosophiestudium gefunden zu haben. Gerade philosophische Themen interessieren sie nach wie vor. Und auch wenn der Gang durch die Universitäten sie damals verunsicherte – die Studienzeit prägte Humpes Selbstverständnis. Immerhin lehrten sie ihre Erfahrungen an der FU eines: „Ich bin Feministin durch und durch!“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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