Probieren geht über Studieren

Fast die Hälfte aller Studierenden bricht ihr Studium ab. Das ist das alarmierende Ergebnis einer OECD-Studie. Doch ein Studienwechsel bedeutet noch lange kein Scheitern, findet Evelyn Toma.

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Studierende sind faul und bringen nichts zu Ende – ein Vorurteil, das durch den jüngsten Bildungsbericht der OECD scheinbar bestätigt wird. Darin vergleicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Daten über die Bildungssysteme in 34 Ländern. Das Ergebnis: Nur 36 Prozent aller Studierenden werden ihr begonnenes Studium auch tatsächlich beenden. Diese Entwicklung bereitet vielen Experten Sorgen. Dabei gibt es dafür überhaupt keinen Grund.

Abbruch ist ein Privileg

Denn ein Studium abzubrechen ist weder schlimm noch faul. Sich vorher ein Bild vom Studieren zu machen, ist schließlich schwer. Es gibt so viele verschiedene Fächer zur Auswahl, von denen nicht mal ein Bruchteil in der Schule angeboten wird. Woher soll man also wissen, ob man erneuerbare Energien, Erziehungswissenschaften oder Japanologie studieren will? Und selbst Fächer, die man aus der Schule kennt, entpuppen sich dann im Studium als erschreckend anders. Fragt mal einen Mathestudenten, ob er mit Zahlen rechnet! Von wegen.

Man müsste ein Studienfach also erst einmal ausprobieren können, um wirklich einen Einblick zu bekommen. Ein Schnupperstudium könnte da Abhilfe schaffen. Auch an die Selbstbestimmtheit beim Lernen im Studium muss man sich erst einmal gewöhnen. Einige Schüler tauschen nach zwei Monaten ihr Studium gegen eine Ausbildung, weil sie sich nach festen Vorgaben wie in der Schule zurücksehnen.

Dass die Abbrecherquote in anderen Ländern kleiner ist, ist jedoch kein Wunder. Laut OECD- Bericht haben Länder wie Australien, Neuseeland oder Japan die geringsten Abbrecherquoten. In Australien betragen die Studiengebühren pro Jahr im Schnitt knapp 17.000 Euro. Und wer sich für einen Studienkredit verschuldet, der muss diesen auch irgendwie wieder abbezahlen. Jedes zusätzliche Jahr an der Uni – und damit jeder Fachwechsel – bedeutet höhere rote Zahlen. Um diese Schulden abzubezahlen, braucht man nach dem Studium auch einen gut bezahlten Job. Da überlegt man sich natürlich dreimal, ob man die bereits gemachte Investition in den Sand setzen möchte.

Lieber ein Tapetenwechsel

Die hohe Abbrecherquote in Deutschland ist weniger Ausdruck des Scheiterns, als vielmehr ein Zeichen der Freiheiten, die studieren eigentlich bedeuten sollte. Schließlich ist Bildung eine Option. Man muss sich nicht durch ein komplettes Jurastudium quälen, um zu merken, dass es einen nicht glücklich macht. Es zwingt einen doch auch keiner, ein Buch fertig zu lesen, dass man doof findet. Wieso sollte das gerade mit unserer Zukunft anders sein?

Und jetzt mal ehrlich: Wenn das Fach nicht begeistern kann, kann es der Beruf vermutlich auch nicht. Niemand kann junge, aber dafür unmotivierte Arbeitskräfte gebrauchen. Wer das macht, was er liebt, ist wesentlich leistungsstärker und engagierter. Und je gründlicher man sich die Entscheidung für eine bestimmte Richtung überlegt, desto besser ist das nicht nur für einen selbst, sondern für alle.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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