Das Erbe von morgen

Was passiert nach dem Tod mit unseren Daten? Diese Frage wird in Zeiten zunehmender Online-Aktivitäten immer dringlicher, nicht zuletzt um Angehörige zu entlasten. Unsere Autorin sprach mit zwei Expert*innen darüber, welche Schwierigkeiten sich beim digitalen Nachlass ergeben. Von Hannah Lichtenthäler

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Die Datenmasse, die wir über Jahre produzieren, ist unüberschaubar. Illustration: Eugènia López Duran

Instagram-Bilder, Tweets, Facebook-Chroniken – wir hinterlassen viele Spuren in dieser Welt, auch digital. Doch was passiert, wenn unser Leben zu Ende geht? Statt bloß unsere Habseligkeiten zu vererben, müssen wir uns heute auch die Frage stellen, was mit unserem digitalen Fußabdruck passieren soll. Unser digitaler Nachlass wird immer umfangreicher. Dieser beinhaltet sämtliche Zugangsdaten im Netz, Online-Banking, Software-Lizenzen, soziale Netzwerke – aber auch Datenträger und Cloud-Dienste. Jedoch machen sich nur die wenigsten Gedanken darum, was mit den digitalen Zeugnissen ihres Lebens nach ihrem Tod geschehen soll.

Das liegt auch daran, dass die Frage nach dem digitalen Nachlass rechtlich noch nicht eindeutig geregelt ist. Grundsätzlich gilt zwar: Wer ein Erbe antritt, erbt auch den digitalen Nachlass; mit einem Erbschein ist es also theoretisch möglich, sich an Banken oder Internetkonzerne zu wenden, um die Daten anzufordern. Ganz so einfach sei dies allerdings nicht, erklärt Internetsoziologe Stephan Humer, der an der FU zum Thema Digitale Identitäten promoviert hat und inzwischen den Forschungs- und Arbeitsbereich Internetsoziologie an der Hochschule Fresenius leitet. Sobald internationale Firmen involviert seien, sei diese Definition keine juristische Frage mehr, sondern eine politische.

Deshalb kommt es auch vor Gericht zu Problemen: Seit mehreren Jahren kämpfen die Eltern eines verstorbenen 15-jährigen Mädchens aus Berlin vor Gericht darum, Zugang zu den Facebook-Login-Daten ihrer Tochter zu erhalten. Der Todesfall ist ungeklärt – durch einen Blick in die Chats des Mädchens wollen die Eltern herausfinden, ob es sich um einen Suizid gehandelt haben könnte. Das Kammergericht entschied in zweiter Instanz, dass die Eltern keinen Anspruch auf die Daten haben. Der Fall soll nun vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe ziehen.

Ausgerechnet Facebook verweigert auch in anderen Fällen die Herausgabe von Login-Daten und verweist dabei auf den Datenschutz. Die Begründung: Es könne ja sein, dass die verstorbene Person das gar nicht gewollt hätte. Rechtliche Schritte dagegen seien in der Regel langwierig, mühsam und teuer, erläutert Humer: „Man wird damit leben müssen, dass man nach dem Tode eines Angehörigen keine Kontrolle über dessen digitalen Nachlass hat. Das ist nicht mehr so überschaubar wie früher, als man die Sachen zusammengepackt und das Bankkonto gekündigt hat.“

Es sei deshalb entscheidend, sich früh genug um den eigenen digitalen Nachlass zu kümmern, meint Sabine Landes vom unabhängigen Infoportal digital-danach.de. Das Portal will Menschen darüber informieren, was digitaler Nachlass ist und wie sie ihre digitalen Hinterlassenschaften regeln können. Besonders wichtig seien regelmäßige Backups der eigenen Konten, um Datenmüll zu vermeiden, sowie die Bestimmung eines Nachlasskontakts, der sich der digitalen Fußabdrücke annimmt. „Diese Entscheidung ist sehr persönlich und kann nicht richtig oder falsch sein, aber man sollte den Angehörigen die Entscheidung abnehmen“, sagt Landes. Es sei daher wichtig, mit Familie und Freund*innen zu besprechen, was man sich wünsche und wer sich im Todesfall kümmern solle. Auch Humer betont, jede*r müssen sich genau überlegen, was ihm*ihr Bauchschmerzen bereiten würde, sollten Daten nach dem Tod weiterhin im Netz kursieren.

Doch was, wenn jemand unerwartet aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls verstirbt? “Für die Hinterbliebenen, die dann großen Kummer haben, ist es nicht leicht, das alles zu regeln”, sagt Landes. Einige Vorkehrungen gibt es bereits: E-Mail-Accounts würden zum Beispiel nach etwa sechs Monaten Inaktivität gelöscht. Ein Facebook-Konto kann von Angehörigen durch Vorlage einer Sterbeurkunde in den Gedenkstatus versetzt werden.

Die Frage unserer Zeit ist also längst nicht mehr, wem ich mein Vermögen vererbe, sondern wo ich am sichersten Passwörter für meine Hinterbliebenen hinterlege. Landes rät, dafür einen geschützten Passwortmanager wie KeePass zu nutzen. Das Zugangspasswort dazu hinterlegen manche Leute in einem Bankschließfach oder auf einem passwortgeschützten USB-Stick. Am Ende bleibt jedoch immer ein Passwort – an Stift und Papier führt für dessen Weitergabe dann wohl doch kein Weg vorbei.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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