Boykott ist auch keine Lösung

Verbesserungswürdige Arbeitsbedingungen sind kein Grund für einen Boykott von Foodora und Co. – im Gegenteil, findet Marius Mestermann.

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Sonntagnachmittag, ich bin gerade zurück von der Arbeit. Es klingelt. Ich weiß, dass Max an der Tür steht, auch wenn ich ihn noch nie getroffen habe. Die App zeigt es mir an. Also betätige ich schnell die Gegensprechanlage, sage der Form halber: “Ja, hallo?” und dann: “Ich wohne ganz oben – treffen wir uns im zweiten Stock?”

Das Haus, in dem ich wohne, hat keinen Aufzug. Mich hält das fit, aber den Foodora-Fahrer muss ich deshalb nicht in den fünften Stock kraxeln lassen. Schließlich muss ja nicht er den Burger wieder abtrainieren, sondern ich. Also warte ich, bis Max mein Abendessen aus der pinken Box geholt hat, und gebe ihm noch zwei Euro. Ein kurzes Lächeln, dann gehen wir unserer Wege – ich zum Esstisch, er zur nächsten Tour.

Andere Wege als ein Boykott

Wie Max seinen Job findet, weiß ich nicht. Seit 2016 bekommt er immerhin mehr als den gesetzlichen Mindestlohn, und vielen anderen Fahrer*innen scheint die Arbeit Spaß zu machen. Andererseits gab es immer wieder berechtigte Kritik an der Last, die Unternehmen wie Foodora auf ihre Mitarbeiter*innen abwälzen – ohne eigenes Fahrrad, Handy und Datenvolumen geht nichts.

Umso wichtiger ist es, dass sich die Beschäftigten austauschen, ihre Stimmen bündeln und den direkten Draht zu den Unternehmen suchen. In den vergangenen Monaten haben sie dadurch schon die ein oder andere Verbesserung erreicht. Das scheint mir auch der klügere Weg zu sein als ein Boykott. Was bringt es, wenn wir uns von den Lieferdiensten abwenden und so die bestehenden Arbeitsplätze und noch dazu die eigentlich positive, klimafreundlichere Liefermethode gefährden? Da gebe ich als Kunde lieber weiter einmal im Monat mein Bestes an Freundlichkeit – und Trinkgeld.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Mascehnka sagt:

    “Verbesserungswürdige Arbeitsbedingungen sind kein Grund für einen Boykott von Foodora und Co. – im Gegenteil, findet Marius Mestermann.” …aber er findet doch genau das. Nicht im Gegenteil.

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