Melodien zwischen Herz und Hirn

Ein Lied kann uns von einer Sekunde auf die andere in Euphorie versetzen oder in Melancholie stürzen. Was genau mit uns passiert, wenn wir Musik hören, erforschen zwei Psychologen der FU. Von Friederike Werner

Illustration: Friederike Oertel

Illustration: Friederike Oertel

Bei den ersten Tönen von „Tears in Heaven” oder „Imagine” bekommt beinahe jeder eine Gänsehaut. „Eye of the Tiger” hingegen sorgt beim Sport für einen Motivationsschub. Musik begegnet uns jeden Tag; dass sie unsere Stimmung beeinf lusst, bemerken wir dabei instinktiv. Mit diesem Zusammenhang zwischen Musik und Emotionen beschäftigen sich der Psychologieprofessor Stefan Koelsch und die Doktorandin Liila Taruffi an der FU.

Anfang des Jahres fasste Koelsch 21 neurowissenschaftliche Studien zum Thema Musik zusammen. Das Ergebnis: Musik aktiviert die zentralen Strukturen im Gehirn, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind. In manchen Fälle kann sie diese sogar verändern.

„In der Emotionsforschung wirken Stimuli mit Musik besonders stark auf unsere Gefühle.”, betont Koelsch. Deshalb sieht er in der Musiktherapie ganz neue Möglichkeiten, etwa um Menschen mit Depressionen zu helfen. „Mithilfe von Musik lassen sich möglicherweise die Glücksstrukturen im Gehirn wieder animieren”, erklärt er. Doch dafür bedarf es weiterer Studien.

Insbesondere der Zusammenhang zwischen Trauer und Musik ist noch weitgehend unerforscht. Warum genießen wir Um ihre Emotionen zu verarbeiten, singt Friederike Werner schon mal mit ihrer Mitbewohnerin Miley Cyrus. bei Kummer traurige Musik, wenn diese den Schmerz zunächst nur intensiviert? Liila Taruffi ist dieser Frage nachgegangen. Für ihre Studie füllten 772 Menschen aus aller Welt einen Online-Fragebogen zu ihrem Hörverhalten aus. Fast alle gaben an, traurige Musik vor allem in Stresssituationen zu hören – zum Beispiel wenn sie jemanden vermissen. Doch worin besteht der Nutzen des auditiven Kummers?

Taruffi verweist auf Aristoteles’ Vorstellungder Katharsis. „Traurige Musik zu hören, hilft uns dabei, negative Emotionen rauszulassen”, sagt sie. Außerdem fühlten sich viele beim Hören verstanden: Derjenige, der diese Musik produziert hat, hat anscheinend einmal genau das Gleiche gefühlt. Manchmal wollten Menschen die Traurigkeit aber auch nur probieren. „Es scheint verlockend, dass man durch Musik Traurigkeit für einen kurzen Moment und außerhalb des echten Lebens erfahren kann”, erklärt Taruffi. „So kann man sie besser verstehen und auch irgendwie erproben, in welcher Intensität man fühlen kann.”

Was Taruff is Studie außerdem zeigt: je empathischer Menschen sind, desto mehr schätzen sie traurige Musik. Generell scheinen Musikliebhaber emotionalere Menschen zu sein als diejenigen, die selten Musik hören. So bemerkt auch der Psychologe Koelsch: „Leute, deren Hobby Musik ist, haben wahrscheinlich ein großes Bedürfnis, sich selbst emotional zu erkunden und sich mitzuteilen.”

Dasselbe Lied kann bei verschiedenen Menschen möglicherweise vollkommen unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Dies liegt unter anderem daran, dass Musik stark mit Erinnerungen verknüpft ist. Ein Lied kann uns abrupt in die Vergangenheit katapultieren. „Die Musik, die wir in unserer Jugend gehört und geliebt haben, berührt uns zum Beispiel für den Rest unseres Lebens auf andere Weise als Musik, die wir danach kennenlernen”, erklärt Koelsch.

Und so lässt uns auch fast jedes traurige Lied auf irgendeine Weise in die Vergangenheit reisen. Das Gefühl, das die Teilnehmer von Taruffis Studie am häufigsten in Verbindung mit trübseliger Musik angaben, war deshalb auch nicht reine Traurigkeit, sondern bittersüße Nostalgie.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. 5. März 2015

    […] über die Studie gibt es bei FURIOS (Campusmagazin der FU Berlin)und im […]

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